Unterwegs

Die Achse des Guten-0
April 13, 2013
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Die Achse des Guten

Den meisten Exportschlagern Kolumbiens kann man ganz gut aus dem Weg gehen, wenn man es denn möchte: man kann Shakira und Juanes doof finden, man kann den Blumen einen Korb geben (Kolumbien ist der zweitgrößte Exporteur von Schnittblumen – hinter den Holländern), Gold und Erdöl lassen sich vergleichsweise einfach meiden – und dem Kokain sollte man seine Nase eh verschließen. Bei einer Sache wird die Verweigerung aber zur Herausforderung: beim Kaffee. Der kommt zwar ursprünglich – wie wir ja angeblich auch – aus Äthiopien. Im 18. Jahrhundert aber folgte die Pflanze namens Coffea dem Homo Sapiens nach Kolumbien, wo sie ideale Wachstumsbedingungen vorfand. Dann musste sie noch rund hundert Jahre warten, bis die Industrialisierung die Nachfrage nach dem anregenden Getränk explodieren ließ und findige kolumbianische Großgrundbesitzer zu sehr reichen Männern machte. Das ging so weit, dass Kolumbien in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts seine Landwirtschaft fast völlig auf den Export von Kaffee ausrichtete und Café de Colombia zur weltweit bekannten Marke avancierte.

Café de Colombia

1958 etablierte die Föderation der kolumbianischen Kaffeebauern dieses Logo, das den fiktiven Juan Valdez zeigt – eine Art kolumbianischer Melitta-Mann.

Lange Zeit war Kolumbien denn auch hinter Brasilien der zweitgrößte Kaffeeexporteur der Welt – bis das kleine, freche Vietnam es vor einigen Jahren überholte und auf den dritten Platz verwies. Diese Schmähung lässt sich leichter verkraften, wenn man fest davon überzeugt ist, den besten Kaffee der Welt zu produzieren. Hilfreich war da sicher auch, dass Kolumbiens größte Kaffeehauskette, Juan Valdez, im Jahre 2008 großspurig verkündete, seinen in die Krise geratenen Konkurrenten Starbucks aufkaufen zu wollen. Aus dieser Übernahme ist dann leider doch nichts geworden – aber die Kolumbianer erzählen die Geschichte noch immer gern. Denn neben Vietnam haben die Kaffeebauern hier noch andere Widersacher, die ihnen das Leben schwer machen und das nationale Heiligtum gefährden: die in den letzten Dekaden gestiegenen Temperaturen setzen der empfindlichen Pflanze ebenso zu wie Roya, ein Pilz, der ihre Blätter verrosten lässt. Hinzu kommen die üblichen Schwierigkeiten, die der stark schwankende Weltmarktpreis mit sich bringt. Viele der Kaffeebauern (von denen es in ganz Kolumbien um die 500.000 gibt) suchen daher neue Wege und erweitern ihr Geschäftsmodell um eine touristische Komponente.

Salento - Beliebtes Reiseziel bei Kaffeetrinkern weltweit

Salento – Beliebtes Reiseziel bei Kaffeetrinkern aus aller Welt

Die Umgebung von Filandia - etwas ruhiger, aber ebenso schön wie Salento

Die Umgebung von Filandia – ebenso schön wie um die berühmte Nachbarstadt Salento, aber etwas ruhiger

In der Achse des Kaffee

In der Achse des Guten, in der Achse des Kaffee

 

Einen Besuch in El Eje Cafetero, in der Achse des Kaffee, konnte auch ich daher nicht vermeiden. Im Dreieck zwischen Bogotá, Medellin und Armenia gedeiht der Kaffee hier in Höhen zwischen 1300 und 2000 Metern – beschattet von Bananen-Stauden, Avocado-Bäumen oder anderen Leckereien. Also machte ich mich auf die Suche nach dem besten Kaffee meines Lebens und auf den Weg in ein kleines Städtchen namens Filandia, wo man auf einer der großen oder kleinen Plantagen nicht nur übernachten, sondern auch alles mögliche über die Pflanze und den Herstellungsprozess lernen. Man kann aber auch einfach dasitzen, bei einer Tasse Tee (kleiner Scherz) die herrliche Landschaft genießen und den Bohnen beim wachsen zuhören.

Kaffeebohnen mit Aussicht

Kaffeebohnen mit Aussicht

Kaffee und Avocado verstehen sich blendend

Die umgängliche Kaffeebohne versteht sich blendend mit Avocado…

...Kaffee und Banane auch

…oder Banane. Beide spenden wohlwollend Schatten und lassen die Bohnen so langsamer reifen, was die rund 800 verschiedenen Aromen im Kaffee (selbst der beste Rotwein hat angeblich nur 400 davon) besser zur Entfaltung bringt.

Noch ein Symbol der Kaffeezone: der Willy - findige US-Vertreter schwatzten sie einst den Kaffeebauern auf - und noch heute transportieren die unkaputtbaren Lastenesel hier alles

Noch ein Symbol der Kaffeezone: der Willys Jeep – findige US-Vertreter schwatzten sie einst den Kaffeebauern auf – und noch heute transportieren die unkaputtbaren Lastenesel hier alles…

...sogar Kinder

…sogar Kinder

 

Damit endet aber leider auch meine Kolumbienreise. Was bleibt sind wunderbare Erinnerungen an ein umwerfend schönes Land mit seinen großartigen Bewohnern – und die Erkenntnis, dass Kolumbien seinem miesen Ruf schon längst nicht mehr gerecht wird. Nicht nur, dass ich weder überfallen noch entführt wurde. Es gab auf meiner Reise noch nicht einmal den sonst obligatorischen Taxifahrer, der jeden Gringo mit überhöhten Preisen abzockt. “Das einzige Risiko ist, dass man bleiben möchte” – mit diesem Slogan wirbt dann auch die nationale Tourismusindustrie. Nun sind jedoch viele der Probleme der Vergangenheit noch nicht endgültig gelöst und Kolumbien ist noch ein gutes Stück davon entfernt, das ungefährlichste Land der Erde zu sein. Aber das Risiko, bleiben zu wollen, ist sicher das mit Abstand größte Risiko, dass man bei einem Besuch hier eingeht. Oder dass man wiederkommen möchte. So wie ich, sobald mein Vorrat an kolumbianischem Kaffee aufgebraucht sein wird 🙂

Auf Wandertour im Valle de Cocora

Auf Wandertour im Valle de Cocora

Gewitterwolke und der Nationalbaum Kolumbiens: die Quindio-Wachspalme

Der Nationalbaum Kolumbiens: die Quindio-Wachspalme, von Cumulonimbus dramatisch in Szene gesetzt.

Ein Kolibri

Ein Himmels- oder Langschwanzsylphe (Aglaiocerus kingii) – der setzt sich selber in Szene


1 Comment

  1. Reply

    Katrin

    April 17, 2013

    Sehr schöne Reiseberichte, machen neugierig auf das Land und vor allem Lust auf eine Reise dorthin. DANKE!


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