“Ich flieg mal nach Kolumbien.”
Diese Ankündigung verursachte entweder entsetztes Kopfschütteln – oder zweideutiges Naserümpfen. Das Land hat sich in der Vergangenheit aber auch alle Mühe gegeben, seinen Ruf aufs Gründlichste zu ruinieren. Neben den für Lateinamerika üblichen Bürgerkriegen, Staatsstreichen, Militärdiktaturen und ausufernder Korruption gab es ausserdem im Angebot: Guerilla-Kämpfer gegen Staat, Bürger, Ausländer; Paramilitärs gegen Guerilla; Todesschwadronen gegen Strassenkinder; und Drogenkartelle gegen alle – vor allem gegen sich selbst.
Und mittendrin in dem ganzen gewalttägigen Chaos: Bogota. Nun haben Stereotypen aber die schlechte Angewohnheit, fast immer länger zu leben als sie eigentlich dürften. Ich werd auf die aktuelle Lage, die sich in den letzten zehn Jahren massiv verbessert hat, sicher noch mal genauer eingehen. An dieser Stelle aber schon mal eine Entwarnung an die Kopfschüttler: Ich hab in der vermeintlichen Hauptstadt der Gewalt sehr friedliche Tage verbracht. Das Gefährlichste, was mir begegnet ist, war wohl eine Demonstration verschiedener Frauenrechtsgruppen am 8. März: “Es gibt keinen Frieden ohne die Frauen!”, riefen die. Wie wahr. Und dann waren da anlässlich des kürzlichen Ablebens von Hugo Chavez, noch 12 Chavistas auf Demo. Was die gefordert haben, weiss ich allerdings auch nicht so genau. Vermutlich die sofortige Wiederauferstehung von El Presidente – zumindest aber dessen umgehende Heiligsprechung durch Papst Benedikt XVI…;-)
Jenseits der Sicherheitsthematik aber erstmal noch ein anderes Thema: Bogota waere keine standesgemaesse lateinamerikanische Grossstadt, wenn sich hier nicht auch Schelm und Chaos die Hand reichen wuerden. Beispiel gefaellig? In Bogota hat man 30 Jahre ueber die Errichtung eines Metro-Systems gestritten, konnte sich aber einfach nicht auf Bus oder Bahn einigen. So wurde entschieden, das schlechteste aus beiden Welten zu verbinden, und ein Metro-Bus-System zu errichten, dessen Haltestellen als Bahnstationen getarnt sind. Jetzt war der Bedarf aber so gross – oder das Marketing mit dem grossspurigen Namen “TransMilenio” so gut, dass man eigentlich die Japaner importieren muesste, die in der Tokyoter U-Bahn die Leute in die Wagons druecken. Denn taeglich nutzen 1,7 Millionen Menschen den TransMilenio, ausgelegt wurde das System aber fuer maximal 1,2 Millionen. Da der Import von Japanern aber eine teure Angelegenheit ist, hat man sich was anderes zur Reduktion der Fahrgastzahlen einfallen lassen muessen. Die Loesung ist so simpel wie ineffektiv: man gestaltet das Streckennetz so, dass man eine 6-monatige Schulung braucht, um es zu verstehen. Die Linie B72 beispielsweise, die vom Zentrum nach Norden fuehrt, heisst in die entgegengesetzte Richtung estaunlicherweise J74. Da man das mit etwas Uebung vielleicht noch durchschauen kann, werden in beide Richtungen jeweils unterschiedliche Haltestellen ausgelassen (die wiederrum von anderen Linien angefahren werden). Dazu packt man noch ein voellig zufaelliges Zeitsystem und nimmt dafuer die Webseite zur Routenplanung vom Netz – fertig ist das Verkehrssystem fuers neue Jahrtausend.
Zum Abschluss noch etwas ueberraschendes: Bogota ist bisher die einzige lateinamerikanische Grossstadt, die ich gesehen habe und die ueber ein gut ausgebautes Netz von Radwegen (Bicirutas) verfuegt.
Und damit nicht genug: jeden Sonntag wird ein grosser Teil der Hauptverkehrsachsen fuer den motorisierten Verkehr gesperrt und man radelt durch die Stadt…
Nach so viel Bogota gehts weiter in eine andere beruehmt-beruechtigte Stadt: Medellin.
Hasta luego,
Mathias
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