Jetzt also Medellin – Ende der 80er und Anfang der 90er die Hauptstadt des Kokainhandels, Heimat- und Wirkungsstaette des vermutlich bekanntesten Kolumbianers: Pablo Escobar, Kopf des hier ansaessigen Kartells. Angefangen hat der als Schmuggler Ende der 70er. Seine Aufgabe war es, Grenzbeamte davon zu ueberzeugen, dass der eben vorbeifahrende LKW nicht existiert. Mit Brutalitaet, Charisma und Geschaeftssinn hat er sich dann schnell an die Spitze des Drogenhandels hochgearbeitet, geschickt die explodierende Nachfrage nach dem weissen Gold – vor allem in den USA – und Kolumbiens strategisch guenstige Lage am karibischen Meer ausnutzend.
Das Medellin-Kartell kontrollierte Mitte der 80er Jahre rund 80 Prozent der kolumbianischen Kokain-Produktion und des Exports, ein Grossteil der restlichen 20 Prozent lag in den Haenden eines Kartells in Cali, im Sueden des Landes. Als Pablo dann auf die Idee kam, vom Cali-Kartell Steuern zu verlangen, fanden die das gar nicht lustig. Wer zahlt schon gern Steuern – zumal in dem Business? Schliesslich entfesselten die beiden Gruppen zwischen 1989 und 1991 einen Bandenkrieg, in dessen Verlauf mehr als 400.000 Menschen starben – und der noch heute das Bild Kolumbiens in der Welt praegt. Nach und nach gelang es dem Staat – mit massiver militaerischer Unterstutzung der USA – die grossen Kartelle zu zerschlagen. Nur “El Patron”, Pablo Escobar – zu der Zeit einer der reichsten und meistgesuchten Maenner der Welt – war nicht zu fassen. Er pflegte sein Image als Robin Hood, verteilte Geschenke an die Armen Medellins: baute Schulen, Krankenhaeuser – ja ein ganzes Stadtviertel (das nach ihm benannte Barrio Escobar) hat er errichten lassen. So beliebt er bei weiten Teilen der Bevoelkerung war, so schwer war er aufzufinden. 1992 stellte er sich schliesslich den Behoerden – unter der Bedingung, nicht an die USA ausgeliefert zu werden. Und Lust auf einen normalen Knast hatte er auch nich, er wollte stattdessen lieber in seine eigene Vollzugsanstalt. Kurioserweise willigte der Staat ein und baute ihm ein eigenes Luxusgefaengnis in Medellin. Dort lebte Escobar weiter sein bisheriges Leben, umgegeben von seinen eigenen Bodyguards – und nur im aeusseren Ring von Militaer bewacht. Erst als er anfing, dort Leute zu foltern und zu ermorden, war das der kolumbianischen Justiz zu bunt: sie kuendigte ihm die Sonderrechte und bereitete Escobars Auslieferung an die USA vor. Darauf hatte “El Patron” nun wiederum keine Lust, machte das Licht in seinem Gefaengnis aus und verschwand. Fast ein Jahr lang war er mitten in Medellin und doch unauffindbar – bis Sicherheitskraefte ihn schliesslich im Dezember 1993 im Haus seiner Tante aufstoeberten und bei seinem Versuch, ueber das Dach zu fliehen, erschossen.
Die Zeit der grossen Kartelle war damit endgueltig beendet, das Problem des Kokainhandels aber nur undurchsichtiger und noch schwerer kontrollierbar geworden. Weiterhin fuehren die USA ihren “Krieg gegen die Drogen” – und das einzige, was ihnen einfaellt, ist natuerlich eine militaerische Loesung. Und so schicken sie fleissig Kampfgeraet und GIs in das Land – ohne die Realitaet anzuerkennen, dass jeder gewaltsame Loesungsversuch nur noch mehr schadet. Der Weg aus dem Teufelskreis von Kriminalisierung und den damit einhergehenden horrenden Gewinnen laesst sich nur mit einer Legalisierung durchbrechen. Aber daran haben weder die Drogenbosse Lateinamerikas noch die Falken in Washington ein Interesse. Alle weiteren Ueberlegungen ueberlasse ich an dieser Stelle den Verschwoerungstheoretikern…
Derweil ist Escobar zum Mythos geworden – bis hin zur regelrechten Verklaerung. Einige erinnern sich lediglich an seine populistischen Gaben an die Armen – vergessen dabei das Leid das er verursacht hat – wie bspw. das Kopfgeld fuer jeden getoeteten Polizisten (zwischen 1000 und 5000 Dollar – je nach Rang), das etwa 800 Ordnungshueter das Leben kostete. Inzwischen ist die faszinierend-makabere Escobar-Tour eine der Hauptattraktionen in Medellin.
Schade nur, dass diese dunkle Epoche oftmals die einzige ist, die man ausserhalb Kolumbiens kennt… Dabei hat selbst Medellin, die Stadt des ewigen Fruehlings viel mehr zu bieten als ihre ehemalige Rolle als kokain-Hauptstadt. Einer ihrer Soehne ist der weltweit bekannte Kuenstler Fernando Botero, der seiner Heimatstadt gleich eine ganze Reihe seiner unverwechselbar aufgepumpten Plastiken vermacht hat. Natuerlich hat auch er das Thema Escobar und dessen Liquidierung thematisiert. Und derweil kaempft das Barrio Escobar weiter fuer seine Legalisierung (es wurde natuerlich ohne offizielle Genehmigung errichtet und die Stadt hat auch nur gemaessigtes Interesse an einem Stadtviertel mit diesem Namen)…
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