¡Oruro Alaaf! Oder: Karneval auf bolivianisch
Wer meint, dass der Karneval im Rheinland ziehmlich verrückt wäre, der sollte sich mal nach Oruro, rund 150 Km südlich von La Paz, begeben, so wie ich das am Wochenende vor Aschermittwoch zusammen einer internationalen Reisenden-Delegation aus Argentinien, Belgien, Chile, Deutschland und Frankreich getan habe. Hier nämlich findet Boliviens berühmt-berüchtigter Karneval statt, der inzwischen auch Eingang ins Weltkulturerbe gefunden hat.
Berühmt ist dieses Fest für seine riesige Tanzprozession - 28.000 Tänzer, die von 10.000 Musikern begleitet werden, ziehen zwei Tage (und vor allem Nächte) ohne große Unterbrechungen durch die Stadt und zusammen mit knapp einer Million Besuchern verwandeln sie diese sonst eher graue und triste Bergbausiedlung in ein ausuferndes, lautes und wild sürmendes Farbenmeer. Auch in dieser Fiesta vermischten sich alte, andine Traditionen mit dem Christentum. Ihre Ursprünge liegen im Itu-Fest der Indios vom Stamme der Uru, dass sich um Ehrerbietungen an Pachamama (heutzutage verkörpert durch die Jungfrau Maria) und Tio Suppay (ursprünglich der Berggeist der Minen, mittlerweile zum Teufel degradiert) drehte. Im 17. Jahrhundert wurde das Fest zwar von den Spaniern verboten, aber die alten Bräuche wurden alsbald in die christlichen Karnevalsfeiern integriert.
Zu den Prozessionen kommen aus ganz Bolivien Tanzgruppen nach Oruro, was bei 36 verschiedenen indigenen Gruppen schon an sich Vielfalt garantiert. Die Tänze selbst sind auch wiederum ganz verschieden. Es gibt unter anderem Morenadas, eine satirische Darstellung der schwarzen Sklaven; Caporales, der traditionelle Tanz der Region um La Paz; Tinkus, ein ritueller Kampftanz aus dem südlichen Altiplano oder Tobas, ein farbenfroher Tanz aus der Amazonasregion. Am wichtigsten sind allerdings die Diabladas, die Tänze der Teufel, die durch teils zentnerschwere Kostüme verkörpert werden. Am Höhepunkt der Prozession werden diese Teufel vom Erzengel Michael tänzerisch besiegt und das Gute triumphiert mal wieder. Neben diesen traditionellen und folkloristischen Darbietungen gibt es mittlerweile eine ganze Reihe jüngerer Tänze, die die ganze Bandbreite von Kitsch bis Kunst abdecken. Generell scheint dabei der Grundsatz zu gelten: alle gutaussehenden Tänzer und Tänzerinnen dürfen so laufen - alle anderen müssen Masken tragen (c:
Berüchtigt hingegen ist der Karneval von Oruro für seine ausgelassene, meist unfreiwillige Zelebrierung von Körperpflege, die darin besteht, sich gegenseitig mit Schaum aus Sprühdosen einzuseifen. Was aber halb so wild ist, denn man braucht meist nicht lange zu warten, bis einen jemand mit globos de agua (mit Wasser gefüllte Miniluftballons) bewirft oder mit einer Wasserpistole wieder sauber spritzt. In diesem Wasserkrieg haben wir natürlich nach Kräften mitgemischt und gegen die bolivianischen Streitkräfte konnten unsere internationalen alliierten Truppen einige entscheidende Treffer landen. Gewonnen haben am Ende jedoch alle - denn irgendwann war jeder bis auf die Knochen durchnässt - was wiederrum ausgiebig und vor allem gemeinsam bis zum Morgengrauen gefeiert und begossen wurde.
Und wem diese Art von kollektiver Wasserverschwendung zu öde ist, der kann den Karneval im bolivianischen Tiefland feiern. Dort gibt man sich nicht mit so kindischen Wasserbomben zufrieden, sondern füllt die globos gleich mit Farbe - der Traum aller Paintballer!